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"Stellvertreter"

 

In den letzten Jahren habe ich vermehrt Kinder als Bildinhalt in meiner Malerei bearbeitet. Dieser rote Faden ergab sich während der Arbeit, die Werke waren nicht als Zyklus geplant. Doch hat sich die Thematik über die Zeit zu einer Werkgruppe verdichtet. Weitere Arbeiten werden folgen.

Der erste Ansatz war zuerst eher faktischer Natur:
Eine Reportage über Kinderarbeit in Indien, ein Buch über Kinderprostitution und Kinderhandel, eine statistische Auflistung der auch ohne gentechnische Probeläufe auftretenden Deformationen bei Neugeborenen.

Visuell folgte, so offenbar für diese Themen sensibilisiert, die Konfrontation mit Werbeabbildungen:
Rosa drapierte "Püppchen" mit gespitzten Lippen, dezent geschminkt und in nuttiger Stellung.
Weiters Dokumentationen über Mißbildungen.
Kinderbilder,
die nichts vom lieben Kinderbild hatten.
In der Auseinandersetzung mit dem untypischen kindlichen Abbild ergaben sich neue Inhalte.

Danach die Aneignung:
Kindliche Körper, so also auch Puppen, wirken visuell völlig anders als erwachsene Körper, sowohl von der Form her als auch von den innewohnenden Kraftlinien. Da ich in meiner Arbeit das Spontane brauche - keine ausgefeilt positionierten Modelle - sondern das unmittelbare "Ideenverfolgen", studierte ich Kinder und Puppen in vielen Skizzen, um mit dem angeeigneten Repertoire frei umgehen zu können.
Ich spielte mit Puppen, zeichnete sie, baute sie auseinander, verformte sie - ich bediente mich des kindlichen Körpers als Emotionsvehikel. Ich baute mir Puppenobjekte, um zu sehen, inwieweit eine Deformierung neue Inhalte sichtbar machen kann.
Manche Puppen wurden bedeckt, eingehüllt, umsponnen, sozusagen mit einer Panzerung versehen. Die Frage, ob diese Schicht schützt oder behindert und einengt, wollte ich in den Arbeiten nicht beantworten.

Die entstandenen Objekte erfuhren eine Weiterentwicklung in der Malerei und Zeichnung.

Kinder stellen mit Puppen jene Situationen nach, die ihnen in ihrem Leben begegnen. Die Puppe fungiert hier als Stellvertreter, als Alter ego, dem Wesen wird angetan, was selbst erlebt wird.
Desweiteren wird die Puppe in manchen Ritualen, aber auch in Therapien, in Stellvertreterfunktionen eingesetzt, um innere Prozesse zu veranschaulichen.
Diesen Gedanken verfolgend, habe ich den Zyklus "Stellvertreter" genannt, weil ich die Puppe ebenfalls als visuellen Stellvertreter eingesetzt habe: Für die Sichtbarmachung bedrohender Situationen, für die Befassung mit dem körperlichen Ausgeliefertsein und für die bildnerische Bewältigung der Aufgabe, aus lieblicher Körperlichkeit zwiespältige Bildideen zu entwickeln.

Mo Häusler, 2004

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